05.07.2012

Rede zur Verabschiedung von Herrn OStD Eckardt Lüblinghoff,

Woeste-Gymnasium Hemer, am 5. Juli 2012

Sehr geehrte Mitglieder der Schulgemeinde: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiter des Schulträgers,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Esken,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Lüblinghoff,
sehr geehrter Herr Lüblinghoff!

Im Namen der Dezernentinnen und Dezernenten des Dezernats 43 möchte ich Sie alle zunächst ganz herzlich begrüßen!

Sehr geehrter Herr Lüblinghoff,

bei der Suche nach einem Motiv für diese Rede habe ich zunächst an den Raum gedacht - ohne Raum ist der Geograph ja bekanntlich nichts, und der Raum hat uns beide vor genau 25 Jahren zusammengeführt. Wir haben mit der Zeit gelernt, uns mit Räumen sinnvoll die Zeit zu vertreiben, gelegentlich haben wir bei der raumbezogenen Arbeit der Zeit zu wenig Raum gegeben. Deshalb werde ich heute ein wenig mehr über Zeit und Zeiten sprechen, in denen Sie sich bewegt und in denen Sie etwas bewegt haben.

Jetzt haben Sie also bald Zeit. Mehr Zeit. Hoffenltich genug Zeit um nachzuholen, was die Ausübung des Amtes als Schulleiter des Woeste-Gymnasiums Hemer über mehr als 20 Jahre - nimmt man die Zeit der kommissarischen Beauftragung mit hinzu - nicht immer erlaubt hat. Mehr Zeit für die Familie, „die noch etwas gut hat“, wie Sie mir gesat haben - und da zählt der neue Teil der Familie einige
tausend Kilometer entfernt in Guatemala sicherlich auch dazu. Mehr Zeit für den Raum - zum Beispiel den chinesischen, den Sie in etwa vier Monaten im Rahmen einer Studienreise erfahren werden. „Reisen zur besten Jahreszeit!“ haben sIe sich u.a. vorgenommen.
Schöne Zeiten stehen Ihnen da bevor - sie sind Ihnen zu gönnen!

Es steht somit in Ihrem Leben eine deutliche Zeitenwende bevor, deren Zeitpunkt Sie selbst gewählt haben und deren Implikationen Sie ganz mit bedacht haben - schließlich haben Sie sich zusammen mit Ihrer Gattin entschlossen, zeitgleich diesen Zeitenwechsel stattfinden zu lassen. Auch Ihnen, sehr geehrte Frau Lüblinghoff, wünsche ich künftig alle Zeit der Welt! Eckart von Hirschhausen bezeichnet u.a. „klare und deutliche Zielsetzungen“ sowie „das Gefühl von Kontrolle und Freude am eigenen Tun“ als Grundvoraussetzungen für Glück. Mit diesem Ihrem eigenen Wunsch, Herr Lüblinghoff, die Möglichkeit der Freistellungsphase der Altersteilzeit grundsätzlich und
zum jetzigen Zeitpunkt zu nutzen, haben Sie die erste der beiden Voraussetzungen hierfür geschaffen, und da Sie planvoll, mit Freude und Zuversicht dem bevorstehenden neuen Lebensabschnitt entgegensehen, wohl auch die zweite.

Lassen Sie mich, Herr Lüblinghoff, quasi im Zeitraffer Ihren beruflichen Werdegang im Zusammenahang mit den schulischen und schulpolitischen Großereignissen skizzieren - im Rahmen einer präzisen Zeitvereinbahrung mit Herrn Vielhauer von „etwa zehn Minuten“ für diesen meinen heutigen Redebeitrag.

Der Weg nach Hemer führte über einige Voretappen am Gymnasium an der Stenner Iserlohn - dort traten Sie 1977 Ihre erste Stelle an, wurden 1979 Studienrat, zwei Jahre später Oberstudienrat, vier weitere Jahre später 1985 Studiendirektor und 1988 Stellvertretender Schulleiter - da haben Sie ganz schöne Zeiten vorgelegt! Nach 14 Jahren haben Sie dann das Gymnasium an der Stenner verlassen und zunächst kommissarisch, dann ab 1992 im Amt des Oberstudiendirektors die Leitung hier am Woeste-Gymnasium übernommen, zwei Jahrzehnte lang.

Parallel zu den unterschiedlichen Funktionen im Hauptamt waren Sie von 1987 bis 2006 und damit ebenfalls 20 Jahre lang Fachberater für Erdkunde bei der Bezirksregierung Arnsberg. Wir hatten etwa zwei Jahre Gelegenheit, in dieser Funktion zusammen zu arbeiten - ich erinnere mich gerne daran, an Fortbildungen, an die jährliche Prüfung von mehr als 200 „Tüten“ mit an die 600 dezentralen Abituraufgaben, an gemeinsame Exkkursionen und Abende.

1992 bis 2012 Schulleiter: eine wahrlich lange Zeit. Mehr als zwei komplette Schülerjahrgänge haben Sie aufgenommen, begleitet und verabschiedet. In die Zeit dieser 20 Jahre fallen Großereignisse und Veränderungen, die Schulen neu auf den Weg haben bringen sollen, die hierbei von Schulen teilweise völlig Neues und an manchen Stellen auch fast Unmögliches verlangt haben - vor allem, weil wiederholt hierfür mehr Zeit hilfreich gewesen wäre. Hierzu einige Schlaglichter:

Das Haus des Lernens orientierte 1995 neu und lieferte die Grundlage für intensive Standortbestimmungen.

1995, 2000, 2005 Schulprogramm und Schulprofil: Konsensbildung und programmatisches Tun wurden als Gelingensbedingung für umfassende und gerechte Bildung erkannt.

Evalutation: So sehr der Begriff als solcher auch provozierte und Entwicklungsgegnern Pseudoargumente lieferte - Selbstüberprüfungen und fortgeschriebene Zeilsetzungen erweisen sich seitdem als Voraussetzung für moderne Schulentwicklung, finden ihren Niederschlag u. a. in überarbeiteten Jahresplänen und Zielvereinbarungen.

Ab 2004 neue Kerncurricula in der Sekundarstufe I auf der Grundlage von Kompetenzausrichtung und mit der Folge neuer Unterrichtsformen: „Vom Ende her denken“, Output-Orientierung - auch das haben Sie schulintern an den Start gebracht.

2005 Zentrale Prüfungen - Lernstand 8 und ZP 10: Zwei Jahre lang haben Sie im Auftrag des Schulministeriums im Fach Mathematik mitgeholfen, diese externe Prüfung in der Jahrgangsstufe 8 mit auf den Weg zu bringen.

2007 Zentralabitur: aus Ihrer Sicht eine sehr positive Entwicklung vor dem Hintergrund Ihrer langjährigen Erfahrungen im dezentralen Abitur - ich kann Ihre Bewertung nur zu gut verstehen!

Dazu: Individuelle Förderung - 13-Plus-Programme - Ganztag - Über-Mittag-Betreuung - Bau der Mensa: Veränderungen und Innovationen fast im Jahrestakt. Bei diesem Tempo war es auch für Sie gelegentlich nicht einfach deutlich zu machen, dass all diese Entwicklungen neben den PISA-Erkenntnissen auch die politische Einsicht umsetzen halfen, dass große gesellschaftliche Anstrengungen notwendig sind, um den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland bewahren und weiterentwicklen zu können. Ohne gemeinsame Anstrengungen geht das nicht und wird es auch künftig nicht gehen, wie die europäischen Entwicklungen der Gegenwart zeigen.

Selbständige(re) Schule, der - nur scheinbare - Widerspruch zu Zentralen Prüfungen oder Schulinspektion, Qualitätsanalyse und Controllings: Einerseits mehr Eigenständigkeiten und mehr Spielräume, andererseits noch stärkeres In-die-Verantwortung-genommen-Werden im Zusammenhang mit verbindlichen Standards.

Schulzeitverkürzung G 8, Änderung des Stundenrhythmus: Sie stimmen  dieser Entwicklung durchaus zu, verstanden allerdings nicht, dass Gymnasien alternativ die Möglichkeit erhielten in G 9 bleiben zu können - da waren Sie nicht der Einzige, der so dachte.

Schulispektion: Diese steht dem Woeste-Gymnasium in naher Zukunft erst noch bevor - die notwendigen Vorbereitungen hierfür haben Sie mit veranlasst.

Parallel dazu: allmählicher Generationswechsel, weit mehr als 100 Neueinstellungen und Verabschiedungen. Sie selber haben es, so ähnlich sagten Sie es mir, vom altersmäßigen Schlusslicht 1977 bis zum Fast-Spitzenreiter 2012 in 35 Jahren gebracht.

Nicht vergessen soll sein, was Sie neben diesen bildungspolitischen Aufträgen im Rahmen von Eigeninitiative und Kreativität an Schulprogrammentwicklung initiiert haben: Zum Beispiel ein umfangreiches Austauschprogramm mit Partnerschulen in verschiedenen Ländern, u. a. im Rahmen von Städtepartnerschaften. Oder die Integration von Exkursionen als feste Bestandteile in Fachcurricula. Öffnung von Schule hat in vielfältiger Hinsicht stattgefunden.

Während Ihrer Zeit als Schulleiter wurde auch Leitung von Schule neu gedacht: Den traditionellen Schulleiter, der alles alleine zu entscheiden hat, gab es als Ergebnis der Erkenntnisse von Schul- und Organisationsentwicklung nicht mehr. „Leitung im Team“ hieß die neue Lösung, stärkere Partizipation aller am Schulleben Beteiligter, stärkere Einbindung von Schülerschaft und Erziehungsberechtigten.
Aber Sie wussten gelegentlich auch, wo Ihre Grenzen lagen: „Man muss den Schulleiter nicht unfähig auf Skiern erleben“ sagten Sie selbstkritisch - und überließen die Begleitung der jährlichen Skifahrten lieber anderen.

Die Minuten reichen nicht aus, mehr als diese Stichworte zu nennen und blitzlichtartig zu beleuchten. Zeit fehlt hier leider, um all die Details und Anekdoten zu ergänzen, die zu nennen noch möglich wären.

Es war ein langes und erfülltes Schulleiterleben, denn dies alles, Herr Lüblinghoff, galt es für Sie anzuleiten, zu koordinieren, zu managen, es galt Impulse zu setzen, Aufträge zu erteilen, deren Umsetzung sicher zu stellen. Es waren bewegte Zeiten, die Sie auf der Kommandobrücke des Woeste-Dampfers verbracht haben, und Sie haben erfolgreich Kurs gehalten!

Ihr Haus ist gut bestellt, Herr Lüblinghoff, Ihre Nachfolge geregelt - das lässt Sie beruhigt das Steuer aus der Hand geben, zumal die Übergabe lückenlos zum 1.8.2012 erfolgen wird; Ihr Nachfolger Herr Vielhauer ist durch Sie auf alles vorbereitet worden.

Im Namen des Regierungspräsidenten Herrn Dr. Bollermann und der Bezirksregierung Arnsberg sage ich Ihnen, Herr Lüblinghoff, heute Dank für Ihre engagierte Arbeit zum Wohle Ihrer Schule und für Ihre fachliche Mitarbeit für die Bezirksregierung!

Die übliche Urkunde am Ender einer beruflichen Laufbahn konnte ich Ihnen heute noch nicht mitbringen - ”Freistellungsphase“ bedeutet ja: formal befinden Sie sich noch bis zum 31.7.2015 im Dienst. So erlaube ich mir, Ihnen übergangsweise eine kleine Lektüre zu schenken, die mein heutiges Rede-Motto im Titel trägt: „Für Eile fehlt mir - ab jetzt - die Zeit“!

Ich wünsche Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt Glück, Gesundheit - und ganz viel Zeit!

LRSD Rainer Koch



 Letzte Änderung: 28.08.2012