14.12.2015

Konfrontation mit dem Entsetzen

- Polizei führt mit „Crashkurs NRW“ Woeste-Schülern die Folgen von Unfällen vor Augen -

„Passt auf Euch auf!“ Dieser Appell steht am Ende des Berichtes von Bernd Blöcher. Der Letmather war vor 15 Jahren bei einem Frontal–zusammenstoß zweier Autos schwerst verletzt worden und stellt sich heute zur Verfügung, junge Menschen aufzurütteln und zur Vorsicht zu mahnen. „Crash Kurs NRW“ nennt sich das Präventionsprogramms, mit dem die Polizei am Montag nach zwei Jahren zum zweiten Mal im Woeste-Gymnasium zu Gast war.

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Was sie zu sagen haben, wirkt nachhaltiger als Schockfotos:
 (v.l.) Andreas Schwarzpaul, Moderator Andreas Filthaut, Marko Dönges, Iris Lemmer, Bernd Blöcher

Berichte sorgen für Stille in der Aula

Nach der vierten Unterrichtsstunde füllt sich die Aula mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, entsprechend steigt der Pegel des Geräusches aus Gesprächen, Zurufen, Gelächter und Stühlenrücken. Nach der Begrüßung durch Schulleiter Ulrich Vielhauer und den Moderator, Polizeihauptkommissar Andreas Filthaut, dauert es nicht mehr lange, bis man in der Aula eine Stecknadel fallen hören kann. Nach einer kurzen Einführung demonstriert eine Abfolge von Unfallfotos den tödlichen Ernst des Themas, dazu dröhnt „Geboren um zu leben“ von Unheilig aus den Lautsprechern. Schon danach herrscht besagte Stille.

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Doch es sind nicht die Fotos, die den jungen Leuten die Sprache verschlagen, vermutlich sind die meisten aus dem Internet Drastischeres gewohnt. Doch die persönlichen Berichte von vier Menschen, die mit den Folgen von schweren Verkehrsunfällen konfrontiert worden sind, gehen unter die Haut. Alle schildern ihre Erlebnisse zwar unpathetisch, aber eindringlich. Nicht immer in feingeschliffenen Sätzen, aber dadurch um so authentischer und glaubhafter. Wenn der Poliziebeamte Andreas Schwarzpaul die entsetzlichen Verletzungen eines jungen weiblichen Unfallopfers sachlich beschreibt und dazu seine Gefühle offenbart, als er mit einer Kollegin als Erster am Ort des Geschehens eintraf, verfehlt das offensichtlich seine Wirkung nicht. Gleiches gilt für den Feuerwehrmann und Notarzwagenfahrer Marco Dönges, als er mit leiser Stimme den stundenlangen letztlich vergeblichen Kampf um ein anderes Unfallopfer nachzeichnet. Nie werde er den Blick aus den offenen Augen des Toten vergessen, ebenso wenig die Schreie von dessen Mutter, als sie die schreckliche Wahrheit erfahren musste, gibt Dönges zu.

53 Wochen Krankenhaus und 34 Operationen

Traumatisierten Opfern der anderen Art müssen die ehrenamltichen aber ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallseelsorge beistehen. Angehörige von Schwerstverletzten oder Getöteten, direkte Unfallbeteiligte oder Zeugen brauchen Trost und Zuspruch, erläutert Iris Lemmer ihre Aufgabe. So hat sie mit einer Kollegin lange am Krankenhausbett eines Mannes gesessen, der schuldlos auf der Autobahn einen Menschen überfahren hatte und dadurch völlig aus dem seelischen Gleichgewicht geraten war.

Und eben Bernd Blöcher: Im Jahr 2000 war er eines morgens mit seinem Auto auf dem Weg zur Arbeit nach Plettenberg. Das nächste, an das er sich erinnert, ist wie er zwei Wochen später im Krankenhaus die Augen aufschlug. Wie er später erfuhr, war er bei Affeln in den Gegenverkehr geraten. Sein Auto krachte frontal in einen anderen Wagen. Während dessen Fahrer nach fünf Tagen das Krankenhaus verlassen darf, kann Bernd Blöcher das erst nach 53 Wochen und 34 Operationen. Der frühere leidenschaftliche Handballer lebt seither mit einem steifen Ellenbogen, einem Bein ohne Kniegelenk und kann sich nur mühsam mit einem Stock fortbewegen. Doch er befindet: „Ich habe noch Dusel gehabt.“ Warum der Unfall passiert ist, weiß bis heute niemand. Blöcher. „Ich habe mich auf ,Sekundenschlaf’ geeinigt.“

Nach einer Stunde kommt langsam wieder Leben ins das junge Auditorium in der Aula. Das Gehörte und Gesehene hat seine Wirkung nicht verfehlt. Am Dienstag folgt auf die gestrige Informationsveranstaltung ein Fahrsicherheitstrainig für die Schülerinnen und Schüler auf dem Verkehrsübungsplatz am Sauerlandpark.

Reinhard Köster / IKZ vom 15.12.2015



Letzte Änderung: 14.12.2015