30.01.2019

Was lange währte, wird endlich anders gut. Hoffentlich.


Liebe Schulgemeinde des Woeste-Gymnasiums,

seit meinem Eintritt in den Ruhestand hat es zwei Jahre gedauert, bis ich endlich Vollzug melden kann. Die großzügigen Geldgeschenke in einem Gesamtwert von 1.240 € sind nun hoffentlich gut untergebracht. Vorgestern habe ich an die Kindernothilfe e.V. einen Betrag von 1.500 € überwiesen. Verwendungszweck: Unterstützung des Projekts „Hilfe für AIDS-Waisen in KwaZulu - Natal, Südafrika“.

Da stellt sich natürlich die Frage, warum das so lange gedauert hat. Hätte es nicht binnen Tagen erledigt sein können? Ja, es hätte. Völlig richtig. Aber der Grund für die späte Umsetzung liegt in meinem ursprünglicher Wunsch, eine ganz bestimmte Schule zu unterstützen. Leider lässt sich jedoch nicht  jeder Wunsch realisieren; auch wenn man sich anstrengt!

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Bei meinen Reisen durch das südliche Afrika stolperte ich anno 1994 in eine Grundschule in Shakawe, einer Gemeinde am Okavango im Nordwesten Botswanas. Der Besuch hinterließ nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Gefährten einen tiefen Eindruck. Lehrer und Schüler widmeten sich dem Wissenstransfer unter primitivsten Bedingungen mit bemerkenswertem Engagement. Die Klassenräume befanden sich auf dem offenen Schulgelände. Aus baulicher Sicht bestanden sie nur aus jeweils einem Baum, in dessen Schatten eine rostige Tafel vor einer Ansammlung rostiger Stühle posierte. Aber der lebhafte Unterricht, den charmante Lehrer und wissbegierige Schüler entfalteten, war alles andere als rostig.

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Im Frühjahr 2017 recherchierte ich intensiv im Internet, um Kontaktdaten jener Schule herauszufinden. Irgendwann grub ich eine vielversprechende Faxnummer aus. Ich setzte eine mit Bildern illustrierte Kontaktbitte auf und schickte sie „durch die Telefonleitung“ nach Botswana auf die Reise. Auf eine Antwort wartete ich allerdings vergeblich. Im zweiten Schritt formulierte ich ein Hilfeersuchen an benachbarte Schulen. Keinerlei Echo. Im Sommer wandelte ich das Fax in ein Schreiben an „The Ministry of Education and Skills Development“ in Gaborone (Hauptstadt Botswanas) um. Sicherheitshalber versandte ich es per Briefpost. Auch hier keine Antwort. Ich dachte nach. Vielleicht war es einfach zu verrückt, ausgerechnet eine Schule in Botswana unterstützen zu wollen. Und  noch ein Zweifel: Hat das Land nicht das höchste Pro-Kopf-Einkommen im südlichen Afrika?

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Plötzlich, im August, eine Nachricht vom Ministerium in Gaborone. Grüße. Mutmaßung, dass es sich bei der gesuchten Schule höchst wahrscheinlich um die „Shakawe Primary School“ handele. Mein Brief sei an den Regional Director der „North West Province“ weitergeleitet worden. Er werde Kontakt mit der Schulleiterin aufnehmen und nachfragen, welcher Art Material die Schule gebrauchen könne.

Nach einigen Mails hin und her schrieb das Ministerium, die Schule könne gut Papier gebrauchen, 40 Karton Kopierpapier,  20 Karton Packpapier, 20 Karton Zeitungsdruckpapier - und merkte an: „Your visit was a long time ago and you may not recognise the school today ... just a warning.“ Vorgeschlagen hatte ich Bücher für den Unterricht in Englisch als „First Additional Language“. Stattdessen bergeweise Papier? Und: Just a warning! War ich irritiert? Ja, ich war irritiert. Sehr sogar.

Also nahm ich Kontakt zu meiner ehemaligen Dienststelle auf, der „Deutschen Schule zu Johannesburg“. Nach der dritten Mail hatte ich in der stellvertretenden Leiterin der Grundschulabteilung die richtigen Ansprechpartnerin gefunden. Sie organisiert an der DSJ den Englischunterricht der Grundschulklassen. Während meines Südafrika-Besuchs im November 2017 trafen wir uns vor Ort in ihrem Klassenraum. Die Kollegin erwies sich als sehr hilfsbereit. Sie unterstützte vorbehaltlos meine Ansicht, dass es wenig Sinn mache, ein Fuder Papier in die Savanne des Okavango zu senden. Möglicherweise würde es schon in Gaborone stecken bleiben ...

Sie zeigte mir feine Lehrbücher, die sie im Englischunterricht der DSJ einsetzt, und ihre Whiteboards, die sie in Englischstunden an ihre Schüler ausgibt. Und wieder einsammelt, damit sie vollzählig bleiben. Das sei doch eine Alternative! Augenzwinkern. Erinnerungen an meine eigene Schulzeit: Schiefertafel und Griffel.

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„O, ja, das wär' 'was“, dachte ich, „gut und nachhaltig!“ In einem der nördlichen Stadtteile Johannesburgs fand ich einen Schulausstatter, der mit A4-Whiteboards der abgebildeten Art handelt, und eine Buchhandlung, die gleich bereit war, mir ein Beschaffungsangebot zu machen. Endlich ein Packende. Meine Ehefrau und ich setzten unsere Reise fort. Immer wieder diskutierten wir darüber, wie mit den gewonnenen Erkenntnissen umzugehen sei. Auf dem Rückweg vom Indischen Ozean nach Johannesburg machten wir Station in einem Safari Camp am Tugela River in der Provinz KwaZulu Natal. Nur mit einem Four-Wheel-Drive zu erreichen, übrigens.

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Auf dem fahrerisch herausfordernden Rückweg nach Johannesburg fiel uns eine Schule in der Nähe des Camps ins Auge.  Die machte einen passablen Eindruck auf uns, karg, aber ordentlich, jedenfalls kein Müll auf dem Schulgelände. Im Flugzeug diskutierten meine Frau und ich das Pro und Contra. Wieder zu Hause, schrieb ich kurz entschlossen in der Weihnachtszeit einen langen Brief an die Besitzer des Safari Camps. Ich bat sie, bei der Schule nachzufragen, ob eine Unterstützung mit Büchern, Whiteboards und Markern willkommen wäre. Eine erste Antwort kam schnell:

We are very excited about your proposal and I know for sure the local school will be over the moon! You hit the nail on the head with your list  of suggested equipment. [...]  We will chat to the headmaster and revert.

Aber keine zweite. Als ich nachfragte, hieß es, sie hätten meine Schreiben an ihren Junior weitergeleitet. Er werde sich melden. Erst wartete ich; dann schrieb ich ihm ihm, teilte ihm mit, dass ich Anfang 2019 wieder Südafrika besuchen und noch vor Reiseantritt bereits in Johannesburg das Material für die Schule zusammenstellen lassen wolle, sodass ich es direkt bei der Schule vorbei bringen könne. Er schickte mir daraufhin eine Liste großartiger alternativer Sponsoring-Ideen, die von Naturschutz bis zum Aufbau einer Krippe für die Kinder des Dorfes auf der anderen Seite des Flusses reichten. Ich entgegnete, ich wolle nicht die Natur schützen, sondern eine Schule unterstützen; ich sei im Wort bei meiner ehemaligen Schulgemeinde. Er schrieb, wenn das so sei, werde er sich bei nächster Gelegenheit mit der Schule in Verbindung setzen und mir die Kontaktdaten senden. Aber die Wochen vergingen, ohne dass ich Neues hörte. Und schon stand wieder die Adventszeit vor der Tür ...

Anfang Dezember fragte ich beim Junior nach, ob denn aus seiner Sicht eine Unterstützung der Schule sinnvoll sei und er mir wenigstens die Kontaktdaten besorgen könne. Er bestätigte, dass die Schule durchaus ein geeignetes Spendenziel darstelle. Zur Zeit  halte er sich aber nicht im Camp auf; er werde mir bei Gelegenheit die gewünschte Auskünfte übermitteln. Weihnachten ging vorbei, Post kam nicht. Schließlich riss  mein Geduldsfaden. Rechner angestellt, Browser geöffnet und Informationen über Kinderhilfswerke eingezogen. Die entscheidenden Hits:

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Am 5. Februar werde ich wieder nach Südafrika fliegen; das Geld ist schon dorthin unterwegs. Hoffentlich.

Ulrich Vielhauer
Arnsberg, 30.01.2019



Letzte Änderung: 30.01.2019