01.10.2019

Was macht ein Bischof im Leistungskurs Erdkunde?

Als ich auf den Hemeraner Herbsttagen der ehemaligen Schülerin Elisa Nguyen (Abitur 2006) begegnete, ahnte ich noch nicht, wozu das führte.
Frau Nguyen, die mittlerweile in der Schweiz studiert und in ihrer freien Zeit über 30 Länder bereist hat, erzählte während des Treffens von ihrer Leidenschaft für das Couch-Surfing. So gelangte sie auf einer ihrer Reisen durch das Afrika südlich der Sahara auch in ein Dorf in Uganda, ca. 240 Meilen von der Hauptstadt Kampala entfernt, wo sie von der Familie von Bischof Sanyu John Bosco herzlich aufgenommen wurde und einen sehr intensiven Einblick in das Kleinstadtleben in einem Entwicklungsland erhielt. Im Gegenzug bot sie Bischof Bosco an, sie in Deutschland zu besuchen. Im Rahmen dieses aktuell stattfindenden Gegenbesuchs stellte sie ihm auch ihre ehemalige Schule, das Woeste-Gymnasium vor. Da ich diese Gelegenheit, einen authentischen Bericht aus einem Entwicklungsland zu erhalten, nicht ungenutzt lassen wollte, lud ich Frau Nguyen und Bischof Bosco zu mir in den Leistungskurs Erdkunde ein, wo die beiden auf Englisch Uganda vorstellten. Frau Nguyen schmückte die Erklärungen des Gastes mit eigenen Reiseerlebnissen aus und dolmetschte, wo es nötig war.

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Obwohl es Uganda mit einem Human Development Index von 0,51 ganz knapp in die Gruppe der Länder mit mittlerem Entwicklungsstand geschafft hat, sind die Lebensbedingungen dort sehr hart. Auch in Frau Nguyens Unterkunft gab es kein fließendes Wasser, von anderen sanitären Anlagen ganz zu schweigen. Die meisten Straßen sind unbefestigt, Schulen liegen weit auseinander. Dass Kinder fast 13 km zu Fuß zur Schule laufen müssen und natürlich nach Schulschluss auch wieder zurück, ist keine Seltenheit. Natürlich gibt es keine Beleuchtung oder Sicherheit vor wilden Tieren. Manchmal, vor allem in der Regenzeit, ähneln die Routen eher Schlammrinnen und sind unpassierbar. Öffentliche Verkehrsmittel wie Busse sind rar, Motorradtaxis die einzige Alternative, doch nicht jeder kann sich eines leisten, erst recht nicht bei Benzinpreisen, die nahe an unseren liegen. Neben dem vollkommen anderen Lebensstil ist es vor allem die Exotik des Naturraums des knapp nördlich des Äquators liegenden Landes mit seinen Berg- und Regenwäldern sowie Savannen, von denen für uns Mitteleuropäer eine besondere Faszination ausgeht. Und Bischof Bosco ist stolz auf die Wildheit und Schönheit seines Landes, verleugnet aber auch nicht den Interessenkonflikt zwischen Naturschutz einerseits und dem Siedlungs- und Versorgungsdruck einer stark wachsenden Bevölkerung andererseits.

Und die Bevölkerung der Landes ist unglaublich jung und wächst und wächst: Rund 75 % der Menschen sind jünger als 30 Jahre alt. Erwachsene sieht man im Alltag eher selten, dafür viele Kinder, die als Straßenkinder, vielfach sich selbst überlassen, in unglaublicher Armut leben, vegetieren. Dreijährige, die am Straßenrand sitzend Schotter verkaufen und von der Hand in den Mund leben, Kinder, die trotz existierender Schulpflicht nie eine Schule von innen sehen, sondern auf den Feldern arbeiten oder Feuerholz sammeln, weil sich die Eltern das Schulgeld nicht leisten können, sind Realität. Chancenlos vor allem sind die zahlreichen Kinder, die sich ohne Eltern durchs Leben schlagen müssen, weil diese den in Uganda am meisten verbreiteten Krankheiten zum Opfer gefallen sind: Malaria und AIDS.

Gerade diesen Kindern widmet sich Bishop Bosco, der neben einer sehr aktiven, großen Gemeinde auch ein Waisenhaus für 157 Kinder gegründet hat und diese ernährt, erzieht und für ihre schulische Bildung sorgt. Die ältesten besuchen bereits die Universität. In der Bildung dieser Kinder liege die Zukunft seines Landes, so der Bischof. Und er ist ein Pragmatiker. Wenn sich ein Schulbau verzögert, fährt er schon mal selbst vorbei und bringt zwei Säcke Zement mit, damit der Bau voran geht. Und er weiß: Besucher aus anderen Ländern bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit ein. So ist in Zusammenarbeit mit französischen Gästen auf dem Dach eines Hauses eine große Zisterne errichtet worden, um das Regenwasser zu sammeln und nutzen zu können. Aber am dringendsten benötigt er natürlich Geld. Geld, um weitere Dorfschulen zu errichten, Lehrer zu bezahlen oder seinen Schützlingen den Besuch einer weiterführenden Schule ermöglichen zu können.

Text: A. Heuer-Zachau
Foto: E. Nguyen


Letzte Änderung: 01.10.2019