08.03.2020

Die Bedingungen sind ideal, der Druck ist hoch

Professor Klaus Hurrelmann sprach am Woeste-Gymnasium über die Herausforderungen der „Generation Greta“

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„Die jüngere Generation sagt den Älteren, wo es langgeht. Das ist ein absolutes Novum“, meint Professor Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann. Der bekannte Jugend- und Bildungsforscher war im Rahmen der Reihe „Wissenschaft am Woeste“ zu Gast, um deutlich zu machen, was die aktuelle Generation der seit 2000 geborenen Kinder und Jugendlichen prägt und welche Herausforderungen auf sie warten. Das Interesse ist riesig in der Aula des Woeste-Gymnasiums, neben Schülern und Lehrern kommen auch zahlreiche Vertreter weiterer Schulen, Institutionen, aber auch Eltern und Erzieher, um mehr über dieses Thema zu erfahren.

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Jugendliche sind politisch visionär

Äußere Lebensumstände hinterlassen ihre Spuren. Sind sie über Jahre hinweg stabil, prägen sie ganze Generationen. Nicht umsonst sind Begrifflichkeiten wie „Babyboomer“ oder „Generation Y“ fest im Wortschatz verankert. Und auch der Generation der seit 2000 geborenen Kinder und Jugendlichen gibt Hurrelmann einen markanten Namen: „Generation Greta“. „Prägend für die Jugendlichen heute ist, dass sie politisch visionär sind“, berichtet Professor Hurrelmann von den Ergebnissen der neuesten Shell-Jugendstudie. Vor allem die Themen Umweltschutz und Klima würden die jungen Leute elektrisieren und sorgen so neben einem dauerhaften politischen Interesse auch für ein aktives Engagement - vor allem bei jungen Frauen. „Wir sehen hier eine Generation, die politisch interessiert ist und von jungen, engagierten Frauen angeführt wird“, beschreibt der Sozialforscher.

Wie aber kommt dieser Wandel weg von der fragenden Generation Y, die als eher mit sich selbst beschäftigt beschrieben wird, hin zu Interesse und Engagement für das große Ganze? Ihren Ursprung fände diese Entwicklung in den äußeren Bedingungen, die Professor Klaus Hurrelmann als hervorragend beschreibt: Wirtschaft und Terror spielen, ganz im Gegensatz zur Zeit um die die Jahrtausendwende, eine untergeordnete Rolle, die Zahl und Qualität der Schulabschlüsse sei auf einem Hoch. Gleichzeitig aber steige der Druck auf die „Generation Greta“, denn der Leistungsdruck und vor allem auch die Qual der Wahl im Bereich von Ausbildung, Studium und Beruf bringe die Jugendlichen in eine missliche Situation. „Ohne echte existentielle Not sind sie in einer psychologischen Notlage“, meint Hurrelmann.

Aus Leistungsdruck wird Leidensdruck

Es werde erwartet, dass die Jugendlichen sich engagieren, aktiv sind, einen hohen Bildungsabschluss erreichen und auch andere Entwicklungsaufgaben, wie das Entwickeln eigener Beziehungen, Freizeitaktivitäten und Werteorientierung ohne Probleme ablaufen. Dazu komme eine wachsende Freiheit hinsichtlich der sexuellen Identität und die zunehmende Digitalisierung, die für die „Generation Greta“ schon selbstverständlich sei. „So wird aus dem Leistungsdruck dann ganz schnell ein immenser Leidensdruck“, lautet das Fazit des Wissenschaftlers.

Eine besondere Rolle schreibt Professor Hurrelmann den jungen Frauen der „Generation Greta“ zu. Sie kämen durchschnittlich am besten mit den aktuellen Bedingungen rund um die Entwicklungsaufgaben zurecht: Sie sind aktiver, sprechen besser auf das Bildungssystem an und hätten auch ein höheres Gesundheitsbewusstsein. „Sie hinterlassen, ähnlich wie Greta Thunberg, ihre Spuren und gehen ihren eigenen Weg“, meint Hurrelmann. Für ihn ist das Konzept hinter „Fridays for Future“ geschickt, denn ohne Gesetze zu brechen, reinweg durch zivilen Ungehorsam, ohne jegliche Ideologie, setzen sich die Jugendlichen für ein für sie wichtiges Thema ein: Den Klimaschutz.
Dafür zollt der 76-Jährige der „Generation Greta“ seinen Respekt.

In der Diskussion bestätigt sich das Bild, dass der Sozialforscher zuvor zeichnete: Eine Schülerin beklagt sich, dass noch immer eine Spanne zwischen Männern und Frauen in Sachen Bezahlung klaffe. Hurrelmann ermutigte die junge Frau, sich gegen diesen Missstand einzusetzen. Und den Schulen gibt er auch etwas mit auf den Weg: „Trauen Sie sich etwas, gehen sie neue Wege. Die „Generation Greta“ wird es Ihnen danken“.

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Text: Vanessa Wittenburg / IKZ vom 24.02.2020
Fotos: Jan Wille



Letzte Änderung: 09.03.2020