31.03.2022

Schüler eröffnen den Landtagswahlkampf

Im Woeste-Gymnasium stellen sich Vertreterinnen und Vertreter von SPD, CDU, FDP und Grünen den Fragen


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Früh dran waren am Mittwoch die volljährigen Schülerinnen und Schüler des Woeste-Gymnasiums: Noch bevor die Wahlbenachrichtigungen im April verschickt werden, hatten sie vier der sieben Landtagskandidaten des Wahlkreises 122 in die Aula der Schule eingeladen.

Zur Podiumsdiskussion begrüßten Schulleiter Prof. Dr. Jörg Trelenberg und Schülersprecher Nils Simmert die SPD-Landtagsabgeordnete Inge Blask, Matthias Eggers (CDU), Frank Oberkampf (FDP) und Sylvia Olbrich (Grüne). „Bitte nicht wundern“ – das galt angesichts des Erscheinungsbildes der Zuhörer: Gekleidet in dunkle Anzüge oder Omas Pelzmantel erinnerte die Stufe Q2 an waschechte Mafia-Bosse bzw. Mafia-Chefinnen, so dass Schulleiter Trelenberg scherzte: „Wenn hier heute die Mafia auf die Politik trifft, dann ist das eine besondere Mischung.“ Die einfache Erklärung: Die Abiturienten haben aktuell ihre Motto-Woche und am Mittwoch war „Mafia-Tag“.

Kandidaten erläutern die Schwerpunkte ihrer Politik

In einer ersten Runde stellten sich die Kandidaten persönlich vor und umrissen die Grundzüge ihrer Politik. Inge Blask, seit 2012 für die SPD im Landtag, dankte den Schülern: „Ihr habt alles ertragen, was die Pandemie so mit sich gebracht hat, sowohl im schulischen wie im zwischenmenschlichen Bereich“, so die Hemeranerin. Umwelt-, Klima und Verbraucherpolitik, Frauen und Wirtschaftsthemen bezeichnete die Diplom-Ökotrophologin als ihre Schwerpunkte.
Matthias Eggers, Geschäftsführer einer Kommunikations- und Werbeagentur aus Menden, sagte: „Politik begleitet mich mein ganzes Leben.“ Mobilität im ländlichen Raum und Infrastruktur, die Stärkung des Ehrenamtes sowie Wirtschafts- und Klimapolitik bezeichnete der CDU-Kandidat als seine Hauptanliegen. „Wobei ich denke, dass dieWirtschaft nicht das Problem in der Klimafrage ist, sondern ein Teil der Lösung“, so Eggers.
Frank Oberkampf suchte für die Liberalen den Schulterschluss mit den Schülerinnen und Schülern und bot allen das „du“ an. Der selbstständige Hörakustiker aus Menden kokettierte damit, ein Quereinsteiger in die Politik zu sein: Er habe vorher nicht „20 Jahre in der Fußgängerzone Kugelschreiber verteilt“, sondern sei erst seit 2020 in der FDP. Er riet den Schülern: „Geht auch mal in andere Städte, damit ihr mal was anderes seht – aber kommt dann auch wieder zurück!“
Sylvia Olbrich aus Iserlohn erläuterte ihre Motivation, sich seit 15 Jahren bei den Grünen politisch zu engagieren, mit den Worten: „Weil ich persönlich betroffen bin!“ Als Mutter eines siebenjährigen Sohnes und Pflegemutter von zwei Kindern mit besonderem Förderbedarf seien die Jugendhilfe und Sozialpolitik die Schwerpunkte ihrer Arbeit. Zum Thema Frauenquote griff sie der Diskussion vor und sagte: „Manchmal braucht es auch ein ,muss’ und nicht nur ein ,kann’, damit die Frauenquote durchgesetzt wird.“

Wie in einer Schule nicht anders zu erwarten, kam in der Diskussion die Bildungspolitik nicht zu kurz. Inge Blask forderte: „Bildung darf nichts kosten. Jeder muss die Chance haben, seine Persönlichkeit zu entfalten.“ Das wisse sie als Akademikerin aus einer Familie, in der vorher noch niemand studiert habe, besonders gut. Es sei wichtig, mit der kindlichen Förderung möglichst früh zu beginnen und etwas gegen den Lehrermangel zu unternehmen. „Deshalb ist es auch nicht zu verstehen, warum Grundschul- und Gymnasiallehrer nicht gleich bezahlt werden.“

„Viel gesagt worden, aber eigentlich nichts gesagt“

Für Matthias Eggers stand fest: „In den letzten fünf Jahren ist soviel in Bildung investiert worden wie noch nie. Der Bildungsetat in NRW liegt bei über 21 Milliarden Euro.“ Aber: In die Digitalisierung an den Schulen sei zwar viel Geld geflossen, jedoch müsse es dort auch richtig eingesetzt werden. An ihre Vorredner gewandt meinte Sylvia Olbrich: „Jetzt ist viel gesagt worden, aber eigentlich ist nichts gesagt worden.“ Besonders für Kinder mit einer Behinderung sei wenig erreicht worden: „Die Inklusion ist in den letzten Jahren zur Exklusion geworden“, so die Grünen-Politikerin.
Beim Thema Klima sprach sich Frank Oberkampf für Ressourcenschutz „durch eine moderne Wirtschaft und moderne Technologien“ aus, während Matthias Eggers dafür warb, die Menschen auf dem Weg zum Klimaschutz „mitzunehmen“ und ihnen konkrete Handlungsangebote zu machen, um Energie zu sparen oder zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage selbst Strom zu produzieren. Inge Blask verwies auf das Beispiel von Bottrop mit dem Projekt des klimagerechten Stadtumbaus „InnovationCity Ruhr“: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch in Hemer Stadtteile klimaneutral umgestalten“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete.

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Eine Frage durfte rund um die Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung nicht fehlen, auch wenn es sich dabei strenggenommen eigentlich um Bundespolitik handle, wie Schülersprecher Nils Simmert bemerkte. Sag,wie hältst Du es mit der Impfpflicht?, wollten die Schüler wissen. Matthias Eggers sprach sich dafür aus, „so viel zu öffnen, wie es geht, aber auch handeln zu können,wenn es dieSituation erforderlich mache.“ Er persönlich tue sich mit der Impfpflicht schwer, „aber die jungen Menschen haben in den zweiJahren so viel Rücksicht genommen, und da kann man vielleicht auch von den Risikogruppen verlangen, dass sie sich jetzt impfen lassen“. Frank Oberkampf sagte: „Ich werbe dafür, dass sich Menschen freiwillig impfen lassen, denn die Freiheit ist im Grundgesetz verankert.“ Währenddessen fand Sylvia Olbrich für die, wie sie sie nannte, „Schwurbler“, klare Worte fand: „Diese Menschen sind Egoisten, die überzeugt man nicht, deshalb muss irgendwann die Impfpflicht kommen.“ Auch Inge Blask sagte, sie könne sich eine „Impfpflicht ab 18 Jahren“ vorstellen.

Der Krieg ist die Krise – nicht die Flüchtlinge

Weit wiesen die Diskutanten den von den Schülern verwendeten Begriff „Flüchtlingskrise“ von sich: „Die Flüchtlinge sind nicht die Krise, der Krieg ist die Krise“, sagte Inge Blask. Sie forderte die Landesregierung auf, mehr Verantwortung zu übernehmen und nicht alles auf die Kommunen abzuwälzen. Matthias Eggers sprach sich für „Willkommensklassen“ aus, später sei aber eine Integration nötig. Sylvia Olbrich berichtete aus erster Hand von ihren Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe und bewegte die jungen Erwachsenen mit der Schilderung eines kleinen Jungen, der bei jedem lauten Geräusch schrecklich erschrecke, weil er die Bombennächte in einem Keller erlebt habe. Dabei wurde es still, und der Wahlkampf war ganz weit weg.

Nach der angeregt und informativ geführten Diskussion
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v.l.n.r.: Schülersprecher Nils Simmert, Inge Blask (SPD), Frank Oberkampf (FDP), Matthias Eggers (CDU), Sylvia Olbrich (Bündnis 90/ Die Grünen), Schulleiter Prof. Dr. Jörg Trelenberg

Text: IKZ /  Miriam Mandt-Böckelmann v. 31.03.2022
Fotos: IKZ und privat



Letzte Änderung: 31.03.2022