Schulprogramm Fachlehrpläne Griechisch Vorwort
Schulinterner Lehrplan für das Fach Griechisch

Der Bildungswert des Griechischen

Mag Altgriechisch auch in der Gegenwart nur von relativ wenigen Schülern erlernt werden, sollten jedoch aus diesem Tatbestand keinesfalls voreilig Rückschlüsse auf dessen Bildungswert gezogen werden. Da Griechisch als sogenannte alte Sprache nicht mehr gesprochen wird, liegt der angestrebte Nutzen selbstverständlich nicht in der Befähigung zu unmittelbarer Kommunikation, dem Primärziel neusprachlichen Unterrichts. Gleichwohl leistet auch Griechisch im Hinblick auf die Kommunikationskompetenz einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Im Griechischunterricht geht es nämlich stets um ein möglichst akkurates und präzises Erfassen von Texten (auch in ihrer grammatischen Struktur) sowie einer angemessenen zielsprachlichen Wiedergabe. Die Hinführung zu dieser Exaktheit im Umgang mit Texten kann angesichts der weit verbreiteten Oberflächlichkeit in der textgebundenen, also mittelbaren Kommunikation, die in unserer digitalisierten Welt in vielen Bereichen inzwischen vorherrschend ist, gar nicht hoch genug bewertet werden.

Damit ist aber das eigentliche Ziel des Griechischunterrichts noch nicht formuliert. Dieses besteht darin, den Schülern über die Sprache einen direkten Zugang zur griechischen Antike, insbesondere zur griechischen Literatur zu ermöglichen, die die Schüler in verschiedenen Formen und Gattungen kennenlernen; angeführt seien beispielshalber Epos, Tragödie, Komödie, Lyrik, philosophischer Dialog und Geschichtsschreibung. Zu Recht gilt das alte Griechenland als Wiege der europäischen Kultur. Dieses Bild sollte aber nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, in den Griechen durchweg lediglich Vorläufer und Wegbereiter zu sehen, vielmehr haben sie in Philosophie, Literatur, bildender Kunst, Architektur, Politik oder Mathematik, um nur einige Bereiche zu nennen, Werke und Leistungen von hohem Rang oder sogar bleibender Gültigkeit hervorgebracht, die bis in die Gegenwart rezipiert werden und auf vielfältige Weise lebendig sind. Angesichts des Fortwirkens antiker literarischer bzw. mythologischer Stoffe und Motive in der Kultur des Abendlandes – auch die Musik sei hier ausdrücklich eingeschlossen – darf man vom Griechischunterricht berechtigterweise behaupten, dass er ein kultureuropäisches Grundlagenwissen vermittelt. Man denke hierbei auch an bestimmte Protagonisten griechischer Tragödien und des Epos wie Antigone, Medea, Ödipus oder Odysseus, in denen den Schülern gleichsam Prototypen menschlicher Existenz entgegentreten, die sich in einem wie immer gearteten Konfliktverhältnis befinden (z.B. von Liebe und Hass, Gottesrecht und Menschenrecht, Gewissen und Gehorsam, Fatum und individueller Autonomie). Weitere Errungenschaften der Griechen liegen in der Entwicklung von wissenschaftlichen Methoden und Denkweisen sowie von logischen Systemen, mit denen sie ihrer Zeit weit voraus waren. Zudem versuchten sie auf existentielle Fragen (z.B. auf die Frage nach dem Glück) Antworten zu finden, die die Schüler ebenso wie die oben genannten „tragischen“ Konflikte dazu herausfordern, diesen mit ihren persönlichen Erfahrungen und Daseinsentwürfen kreativ zu begegnen. Auch durch die übrigen nach wie vor aktuellen Fragestellungen ethischer, gesellschaftlicher oder politischer Art werden die Jugendlichen dazu angeregt, in der Auseinandersetzung mit tradierten Vorstellungen eine selbstverantwortete Wertorientierung zu finden.

Schließlich lebt auch die altgriechische Sprache selbst in einer Vielzahl von Fremd- und Lehnwörtern in den modernen europäischen Sprachen fort, die erst mit Hilfe der entsprechenden Kenntnisse in ihrer Grundbedeutung auch erfasst werden können (z.B. Klinik von κλίνη [klinä] – Bett, Chirurgie von χειρουργία [cheirurgia] – Handarbeit, Butter von βούτυρον [butüron] – Kuhkäse). Darüber hinaus sind Griechischkenntnisse generell im Studium überaus hilfreich für das Verständnis der Fachterminologie, die sich in einem nicht unbeträchtlichen Umfang aus dem Griechischen speist.

Im Besonderen seien diejenigen Studiengänge erwähnt, in denen die sogenannte Qualifikation des Graecum erforderlich ist, also Latein, Theologie, Griechisch selbst, Archäologie, je nach Universität auch Alte Geschichte, Philosophie, Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft, da sie den Zugriff auf die Originaltexte voraussetzen. Das Graecum wird nach dem dreijährigen Lehrgang erworben, wenn die entsprechende Kenntnisse im Rahmen der Abitur- oder einer Erweiterungsprüfung nachgewiesen werden können.

Das Erlernen der fremden Schrift ist im Übrigen ein Unterfangen von nur wenigen Stunden, da sie verwandtschaftsbedingt zahlreiche Bezüge zu unserer Schrift aufweist.



Autorisation: Fachkonferenz Griechisch
Letzte Änderung: 12.11.2012